Auf der CDU-Jubiläumsfeier blickten die Festredner auf 75 Jahre Parteiarbeit zurück
Vor dem blauen Vorhang des Alten Casinos sticht deutlich der feste Blick von Konrad Adenauer hervor. Mit dem Wahlslogan "Keine Experimente" hatte er 1957 die absolute Mehrheit erhalten – ein bislang einmaliges Wahlergebnis. Die Jubiläumsfeier zu 75 Jahren CDU Hemer am Mittwochabend erinnerte an die Anfänge der Christdemokraten und ihre Einflüsse in Hemer und der Bundesrepublik. Vor allem in der Festrede von Ehrengast Dr. Carsten Linnemann, stellvertretender Vorsitzender der CDU Deutschland, klangen aber auch Impulse heraus, wie die Zukunft der Politik in Deutschland aussehen könnte.
"Wenn Deutschland wie Hemer wäre, könnten wir jetzt schon an der Theke stehen und einen trinken", lobte Carsten Linnemann die Debattenkultur in Hemer. Wie selbstverständlich waren auch Vertreter der anderen Ratsfraktionen zum großen Moment der Christdemokraten gekommen, unter anderem auch die Hemeraner Landtagsabgeordnete Inge Blask (SPD). Der auch außerparteiliche Zusammenhalt in Hemer wurde auch von anderen Festrednern gelobt – ein Vorbild für andere Städte.
Linnemann kritisiert die Zähigkeit von Politik
Linnemann schilderte auch, was seiner Meinung nach in der Bundespolitik falsch laufen würde und fand deutliche Worte. "Es ist so eine Zähigkeit in der Politik", hat der Bundestagsabgeordnete seit Beginn seiner Amtszeit im Jahr 2009 gemerkt. Alles dauere seine Zeit, müsse bürokratische Hürden überwinden. Ein Modell, das sich in dieser krisenumkämpften Zeit ändern müsse. "Es braucht Menschen, die sich nicht hinter Gesetzen verstecken. Die einfach machen", betonte Linnemann.
Vor allem während der Corona-Pandemie habe er gemerkt, wie sich in Städten entwickelte und erprobte Ideen in der ganzen Bundesrepublik umsetzen lassen würden. Als Beispiel gab er das in Rostock entwickelte "Click-and-Meet"-Modell für den Einzelhandel an. "Wenn das durch den Bundestag gegangen wäre, wäre das nie durchgegangen", kritisierte er die langsamen Mühlen des Politikalltages. Er ist der Meinung, dass den Bürgermeistern der Städte und Gemeinden viel mehr Macht zugestanden werden sollte.
Deutschland rase seit 2007 von einer Krise in die nächste
Seit 2007 rutsche die Bundesrepublik von einer Krise in die nächste. "Deutschland hat zum ersten Mal eine Rezession erhalten, wo unser Geschäftsmodell unter Druck gerät", sagte er. Andere Länder drohten, das bislang fortschrittliche Deutschland in vielen Sparten zu überholen, so Linnemann. "Wir stehen mit dem Rücken zur Wand", so der Bundestagsabgeordnete weiter. Würde man sich willentlich von seinem Wohlstand verabschieden, könnten soziale Unruhen wie in Brasilien folgen.
Neben dem Abbau von Bürokratie warb der Paderborner auch für einen Abbau im Sozialwesen. Sozialleistungen sollten nicht "mit der Gießkanne" verteilt werden, sondern nur für diejenigen, die sie auch brauchten. Die Rente solle zudem im Hinblick auf die höhere Lebenserwartung angepasst werden. "Die Rente mit 63 ist ja eigentlich für Maurer oder Pfleger gedacht, die in dem Alter an ihre körperlichen Grenzen stoßen", sagte Linnemann.
In den anderen Festreden wurde vor allem der Stand der CDU in Hemer und die Rolle von CDU-Stadtverbandsvorsitzenden Martin Gropengießer hervorgehoben. Dieser, so hieß es mehrfach, würde seine guten Tätigkeiten als Schiedsrichter und Lehrer auf die Politik übertragen. "Zum Glück habe ich als Kreisvorsitzender bisher nur gelbe Karten bekommen", scherzte der Landtagsabgeordnete Thorsten Schick. Die CDU Hemer und die Stadt habe auch den Mut, "auf junge Kräfte zu setzen", wie auch in der jüngsten Zeit zahlreiche Beispiele bewiesen hätten.
Bürgermeister Christian Schweitzer hob hervor, dass die CDU mit einem starken Fundament in der Stadt verankert sei. Aufgrund des Andrangs von 170 angemeldeten Gästen sah der Bürgermeister die Jubiläumsfeier fast schon als Ersatz für den Neujahrsempfang, der in diesen Jahr ausfallen muss. Fast als "Hochzeitsgesellschaft" bezeichnete Bundestagsabgeordneter Paul Ziemiak die Festgesellschaft. Der "Freudsche Versprecher" sei aber darauf zurückzuführen, dass der Anlass "so unheimlich schön" wäre. Hemer sehe er als "Gebirge aus bürgerschaftlichen und ehrenamtlichen Engagement" und hoffte, dass die Aufmerksamkeit der Medien nicht nur immer bei "Spaltung, Hetze und Hass" liegen würde, sondern auch mal auf Hemer schauen könne. "Hier streitet man in der Sache, aber die Gesellschaft hält zusammen", sagte Ziemiak. Aus dem Landesarchiv hatte er eine Kopie der Gründungsurkunde der Ortsgruppe Hemer mit Genehmigung der damaligen Alliierten Militärregierung mitgebracht.
CDU-Stadtverbandsvorsitzender Martin Gropengießer hatte im Reigen der Festreden das erste Wort. Er schlug eine Brücke von der Gründung vor mehr als 75 bzw. 76 Jahren bis zur Gegenwart. In der ersten Kommunalwahl 1946 habe die CDU 42,6 Prozent der Stimmen erhalten, in der vergangenen Wahl 2020 waren es 41 Prozent – fast das gleiche Ergebnis, wie Gropengießer die Parallelen sieht. "Ich wünsche mir, dass in diesen politisch schwierigen Zeiten sich mehr Menschen finden, die sich in unseren Parteien engagieren. Am besten natürlich in der CDU", sagte er. Aber auch jedes neue Parteimitglied in einer anderen demokratischen Partei sein ein Gewinn für "unser Gemeinwesen".
Bilder privat erstellt und Text vom IKZ Hemer (Hendrik Schulze Zumhülsen)
Empfehlen Sie uns!